Fachartikel zum Thema

Welche Bedeutung hat die Regelung zur Stellvertretung im Unternehmen

In vielen Betrieben kommt es immer wieder zu der folgenden Frage:

Was bedeutet Stellvertretung und wird überhaupt eine Stellvertretung benötigt?

Rechtlich bedeutet die Stellvertretung, dass eine mögliche Übernahme der Aufgaben eines Stelleninhabers durch einen anderen Verantwortungsträger gewährleistet ist. Der Stellvertreter übernimmt im Bedarfsfall (Urlaub, Krankheit oder sonstige innerbetriebliche Gründe) den Aufgaben- und Tätigkeitsbereich des Vertretenen in eigener Verantwortung. Die vorgenannten Grundsätze sind aus Sicht der Verantwortlichen Elektrofachkraft (VEFK) im E-Bereich gleichermaßen anzuwenden.

Welchen Zweck verfolgt die Stellvertretung?

Die Stellvertretung verfolgt mehrere wichtige Zwecke:

  1. Kontinuität der betrieblichen Aufbaustruktur zur Gewährleistung der Ablaufprozesse
  2. Entlastung des Stelleninhabers durch die Verteilung der Aufgaben auf mehrere Schultern
  3. Erforderlichenfalls bedarf es in Einzelfällen des „Vier-Augen-Prinzips“, was durch eine Stellvertretung und den steten fachlichen Austausch zwischen Stelleninhaber und Stellvertreter erst möglich ist.
  4. Flexibilität: Stellvertretung schafft Flexibilität, da sie es ermöglicht, auch in unvorhergesehenen Situationen handlungsfähig zu bleiben.
  5. Rechtliche Absicherung: In vielen Fällen ist die Stellvertretung auch rechtlich notwendig, um sicherzustellen, dass Entscheidungen und Handlungen als sorgfältig geplant und zielführend geregelt zu erkennen sind.

Wer ist zur Regelung der innerbetrieblichen Organisation eines Unternehmens verpflichtet?

In den Regelungen des Ordnungswidrigkeitenrechts fordert § 130 OWiG von dem Inhaber eines Betriebes oder Unternehmens die Erfüllung der „gehörigen Aufsicht“, der es bedarf, um Pflichtverstöße zu verhindern.

Im Arbeitsschutz ist der Arbeitgeber gemäß § 3 ArbSchG verpflichtet, die Sicherheit der Beschäftigten und deren Gesundheitsschutz zu gewährleisten und weiterzuentwickeln.

Im Deliktsrecht formuliert § 823 BGB bezogen auf den Eigentümer, den Anspruch auf die jeweilige Verkehrssicherheit, damit insbesondere das Leben und die Gesundheit anderer Personen im Rahmen des Möglichen geschützt sind.

Im Technikrecht fordert das Gesetz für überwachungsbedürftige Anlagen, dass der Betreiber die Schutzmaßnahmen für einen sicheren Betrieb auf dem Schutzniveau „Stand der Technik“ zu erbringen hat (vgl. § 5 ÜAnlG). Die rechtlichen Zielvorgaben, wie Sicherheit zu garantieren, geeignete Schutzmaßnahmen zu erkennen und umzusetzen, absehbar eintretende Schadensereignisse präventiv abzuwenden oder Gefahrenquellen zu verhindern, treffen jeden Unternehmensinhaber, Eigentümer, Arbeitgeber und/oder Betreiber.

Wie gestaltet sich die Umsetzung der Zielvorgabe „Schutz und Sicherheit“ innerhalb einer Organisation?

Im Ordnungswidrigkeitenrecht (§130 OWiG) wird im Rahmen der Pflichtenübertragung auf Aufsichtspersonen (Delegation) gefordert, dass diese vom Betriebsinhaber sorgfältig ausgewählt, bestellt und überwacht werden müssen.

Dem Arbeitgeber obliegt gemäß § 618 BGB die Fürsorgepflicht zur Gewährleistung der bestmöglichen Wahrung der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes seiner Beschäftigten. Hieraus erwächst die Garantenstellung, die Maßnahmen ergriffen zu haben, die auf dem Niveau des Stands der Technik als erforderlich und geeignet zur sicheren Erreichung der Schutzziele gelten. Schwachstellen, wie fehlende Regelungen zur Stellvertretung, gelten als sorgfaltswidrig. Wie ließe es sich auch ernstlich nach einem Schadensfall darstellen, dass man im Rahmen der Organisation von der steten und unterbrechungsfreien Tätigkeit des Stelleninhabers ausgegangen war und dieses auch begründen kann.

Die Rechtsprechung zu den Verkehrssicherungspflichten verlangt von dem Eigentümer ein vernünftiges und besonnenes Handeln, das als ausreichend sicher angesehen werden darf.

Im Technikrecht gilt die Möglichkeit zur tatsächlichen, rechtlichen oder wirtschaftlichen Einflussnahme auf den Betrieb als verpflichtende Grundlage für einen Betreiber hinsichtlich des Erreichens der Schutzziele „Sicherheit und Gesundheitsschutz“ der Beschäftigten. Somit steht fest, dass in jeder betrieblichen Organisation die Entscheidungsträger – beginnend bei der Unternehmensleitung und fortgesetzt bei den Führungskräften – dazu verpflichtet sind, die Schutzziele Sicherheit und Gesundheitsschutz zu erreichen, da ansonsten ein rechtswidriges Organisationsversagen gegeben und von den Vorgenannten zu verantworten ist.

Welche Bedeutung hat die Regelung zur Stellvertretung im Unternehmen?

Hierzu wird in § 3 ArbSchG ausgeführt:

  1. Der Arbeitgeber ist verpflichtet, die erforderlichen Maßnahmen des Arbeitsschutzes unter Berücksichtigung der Umstände zu treffen, die Sicherheit und Gesundheit der Beschäftigten bei der Arbeit beeinflussen. Er hat die Maßnahmen auf ihre Wirksamkeit zu überprüfen und erforderlichenfalls sich ändernden Gegebenheiten anzupassen. Dabei hat er eine Verbesserung von Sicherheit und Gesundheitsschutz der Beschäftigten anzustreben. 2) Zur Planung und Durchführung der Maßnahmen nach Absatz 1 hat der Arbeitgeber unter Berücksichtigung der Art der Tätigkeiten und der Zahl der Beschäftigten 1. für eine geeignete Organisation zu sorgen und die erforderlichen Mittel bereitzustellen sowie 2. Vorkehrungen zu treffen, dass die Maßnahmen erforderlichenfalls bei allen Tätigkeiten und eingebunden in die betrieblichen Führungsstrukturen beachtet werden und die Beschäftigten ihren Mitwirkungspflichten nachkommen können.

Forderung der Gesetzgebung ist also die Erfüllung der betrieblichen Organisationspflichten.

Hierzu zählt auch die Einbindung der Beschäftigten in die betrieblichen Führungsstrukturen. Die VEFK ist das „elektrotechnische Gewissen“ des Unternehmens und dadurch in eigener unternehmerischer Verantwortung als Anlagenbetreiber Elektrotechnik nach VDE 0105-100 zu erkennen. Die Rolle VEFK im Unternehmen ist gewollt besetzt worden, damit diesem enorm bedeutsamen Bereich der Versorgung des Betriebes mit Elektrizität schon aus Gründen der ureigenen Betriebsbelange (z. B. Produktion, Aufrechterhaltung der Funktionen der Anlagen, …) ausreichend Rechnung getragen wird. Gleiches gilt selbstverständlich auch für die Sicherheitsbelange der Beschäftigten. Wie ließe sich bei dieser grundlegenden Erkenntnis zur Bedeutung der VEFK für die Aufrechterhaltung der Sicherheits- und Schutzkontinuität eine fehlende entsprechende Stellvertreterregelung sinnvoll erklären? Gar nicht!

Die Gesamtbetrachtung der Ausführungen kann nur zu der Erkenntnis führen, dass eine fehlende Stellvertreterregelung spätestens in einer Fallkonstellation, bei der sich eine Vertretungslücke als schadensursächlich erweist, eine Haftung aus Organisationsverschulden ergeben wird.

Autoren

Hartmut Hardt (VDI)
Rechtsanwalt, Waltrop
info@ra-hardt.de
www.ra-hardt.de

Dipl.-Ing. (FH) René Rethfeldt (VDI)
BDSH e.V. geprüfter Sachverständiger Elektrotechnik
MEBEDO Consulting GmbH, Montabaur
rethfeldt@mebedo-ac.de
www.mebedo-ac.de